Mittwoch, 5. Dezember 2018

[Rezension] Hexensold - Nora Bendzko



*Werbung / Rezensionsexemplar*

Hexensold von Nora Bendzko

Umfang: 484 Seiten | Genre: Horror

Verlag: Epubli | Preis: 14,99 € 



»Tanze nicht mit Feen und handle nie mit Hexen.« Elegio kennt diese Warnung, seit er ein kleiner Junge ist. Geboren in eine Familie von Assassinen wächst er im Oberitalien des 17. Jahrhunderts auf. Sein Vater Lysander setzt alles daran, ihn auszubilden. Doch dem sanften Elegio ist Töten zuwider.

Sein Leben ändert sich für immer, als er in den Besitz eines verzauberten Kleides gelangt. Es verwandelt ihn in Rapunzel – eine gefährliche Schönheit. In ihrer Gestalt ist er endlich der Todesengel, den Lysander in ihm sehen will. Aber sein Vater hat ihn nicht grundlos vor Hexenwerk gewarnt. Mit Rapunzel erwachen Mächte im Land, die einen nie dagewesenen Krieg entfesseln. Und Elegio, der nie kämpfen wollte, gerät mitten zwischen die Fronten …

Meine Meinung:

Hexensold ist eine Geschichte, aus der Albträume gewebt werden.

Eine düstere, dunkle Welt voller Magie, Hexen, Assassinen und Krieg - was Nora Bendzko hier erschaffen hat, lässt selbst mir als erfahrenem Horrorleser das Blut in den Adern gefrieren und hallt auch noch Tage später in mir nach. Eines ist mir jetzt auf jeden Fall schon klar: DAS wird nicht meine letzte Geschichte aus dem Galgenmärchen-Universum sein!

Eine kleine Triggerwarnung vorab: 
Explizite Gewaltszenen und eine schwermütige Stimmung bestimmen einen großen Teil der Handlung - wer dazu nicht in der Stimmung ist oder solche Romane eher umschifft, sollte sich hier die Leseprobe im Vorhinein ansehen und selbst entscheiden, ob er in diese Welt eintreten möchte. 
Innerhalb der Rezension werde ich auch solche Szenen zitieren, also aufgepasst!


Es gibt so viel zu entdecken, zu erzählen und auch zu verschweigen, denn ich möchte euch natürlich nicht spoilern. Als ich mich mit dem Ebook in den Ohrensessel kuschelte, wollte ich eigentlich nur ein wenig hineinschnuppern .... und atmete in einem Rutsch knapp 200 Seiten ein.

Was die Autorin auf jeden Fall gekonnt schafft, ist eine gewaltige Spannungskurve aufzubauen. Während der gesamten 484 Seiten hatte ich nie wirklich das Gefühl mich zu langweilen - es gab ein oder zwei Stellen, welche es für mich nicht gebraucht hätte, doch das sei bei solch einer hohen Seitenanzahl verziehen.

Zu Anfang wird man ein wenig ins kalte Wasser geworfen, muss sich in dieser ungewohnten Welt ein wenig zurechtfinden und Geduld zeigen, bis sich die komplette Geschichte entfaltet.

Das machte es manchmal ein wenig schwer und doch gleichzeitig  so reizvoll; ich wollte mehr über Elegio, seinen Vater Lysander und ihre Arbeit als Assassine erfahren, hatte so viele Fragen und eine unbändige Neugierde in mir. Das trieb mein Lesetempo ziemlich an und vor lauter Gier habe ich einen Teil der Handlung im Schweinsgalopp passiert ... ich bereue nichts, es war einfach ZU AUFREGEND!
Seine Tränen kamen so heftig, dass er sich fast an ihnen verschluckte. Es tat weh. So schrecklich weh. Er krallte die Finger in seine Brust, um den Schmerz in sein Herz zurückzustopfen. Doch das nützte natürlich nichts. Schluchzend lag er da und fühlte sich nicht mehr wie ein Mensch, nur noch wie ein blutiger Haufen Fleisch, wundgeschlagen von Verachtung und zum Verrotten liegengelassen.
So interessant und detailreich die ganze Welt aufgebaut war, ein Punkt war mir so gar nicht bewusst: Sie ist unfassbar düster und brutal gewesen. Manchmal fühlte ich mich regelrecht hoffnungslos, versumpfte dieser melancholischen Erzählung und habe ab und zu den Reader bewusst zur Seite gelegt, um ein wenig durchatmen zu können.

Während dem Lesen musste ich mehrmals schlucken,  wollte in das Buch hineingreifen und die Figuren vor sich selbst retten - dabei waren es nicht allein die blutigeren Kampfszenen, die eine Schwere in mir zurückließen, sondern auch das ganze Setting und der Verlauf der Geschichte. Ein sehr intensives Leseerlebnis für mich, keinesfalls schlecht deswegen und bestimmt kein Kritikpunkt. 

Es ist alles intensiver, nachhallender und sehr viel anders als das, was ich bisher im Horrorbereich so gelesen habe. 
Er brauchte keine Gefühle. Sie waren bedeutungslos für ihn, der ein Gefangener seines Schicksals war. Gefühle hatten ihm nichts als Schmerz gebracht. Nie wieder würde er sich an andere binden. Nie wieder würde er lieben.
Eher wollte er sich seinem Schicksal fügen und ein Bote des Todes werden, als den Schmerz jemals wieder zu erleben. So wollte er warten, bis zu dem Tag, da die Hexe ihn holen würde.
Wir begleiten Elegio in einer grausamen Märchenadaption zu Rapunzel durch das Oberitalien des 17. Jahrhunderts. Sein Vater Lysander tut alles in seiner Macht stehende, um ihn in die Kunst der Assassine einzuführen, ihn zu einem Todesengel werden zu lassen - doch dieser hat ganz andere Vorstellungen von seinem Leben; er näht gerne, ist generell eine weiche, zarte Persönlichkeit und kann die Schwelle zum Töten eines Menschen einfach nicht überwinden.

Zusammen bewohnen sie einen Turm in der Nähe eines kleinen Dorfes namens Teglio, welchen Elegio sehr selten und nur in Begleitung seines Vaters verlässt, welcher als Auftragsmörder namens Inferno seiner Arbeit nachgeht. Während einer dieser Alleingänge dringt Elegio in einen verschlossenen Raum ein, findet dort eine angekettete Hexe vor

... und das Galgenmärchen nimmt seinen düsteren Verlauf.

Es ist keine Adaption im klassischen Sinne: Hier wird nicht das komplette Märchen Rapunzel in ein anderes Setting gesetzt und ein wenig umgeschrieben; nein, hier findet der Leser kleine pointierte Parallelen zum Original wie z.B. den Turm oder die Schönheit selbst, doch ruht Nora Bendzko sich hier nicht auf einer bereits bestehenden Geschichte aus, sondern überträgt diese in ihre ganz eigene Welt.

Dies gefiel mir besonders gut, denn oft strotzen Adaptionen nur so von Wiederholungen, schmecken nach aufgewärmtem Summs und lassen es an eigener Kreativität mangeln ... nicht so hier.
"Wie kannst du?" Es war, als würde der Sturm der letzten Nacht aus der Hexe sprechen. Ihre Stimme war so hart wie ein wetterzerschliffener Felsen.
"Wie kannst du es wagen? In mein Zimmer kommst du und willst mir meine Rapunzeln stehlen?"
Wann und wie Rapunzel in Erscheinung tritt möchte ich gar nicht vorweg nehmen, das darf jeder Lesende selbst entdecken. Dazu sei nur gesagt, dass ich von der Umsetzung im ersten Moment überrascht war, es fügte sich dann aber nahtlos in die Handlung ein und wurde dadurch für mich kein Störfaktor, im Gegenteil.
Es brachte einige Gedankenanstöße mit sich, genauso wie es dem Charakter meiner Meinung nach noch mehr Ecken und Kanten verschaffte.

Also eintauchen, lesen, überraschen lassen.
Mein Fazit:

Eine Welt Magie, düsteren Gestalten und ja, auch einer Menge Blut, das da zwischen den Seiten literweise hervor fließt  - alles in allem nichts für schwache Nerven und zu dieser Jahreszeit, wo die Tage kürzer und dunkler werden, sollte man sich entweder eine Kontrastlektüre dazu nehmen oder sich da ganz im Klaren sein, in welchen leserischen Abgrund man sich hineinwagt mit "Hexensold".

*~4 von 5 Sternen~*

Ein kleiner Outtake oder auch: Aus dem Leben mit zwei Katern ... 

2 Kommentare:

  1. Hallo und guten Tag,

    von der Autorin habe ich schon gerne ..Kindsräuber...gelesen...coole Geschichte.

    So jetzt gibt es also etwas Neues von der Autorin...Danke für den Hinweis.

    LG..Karin...

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    1. Hallo Karin,

      Kindsräuber liegt noch auf meinem Stapel zum Lesen, aber von der düsteren Geschichte hier muss ich mich erst einmal ein wenig erholen :-) Wirst du Noras neues Buch lesen?

      Liebste Grüße,
      Antonie

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