Freitag, 12. Juli 2019

[Rezension] Die Frauen von Salaga - Ayesha Harruna Attah




*Werbung / Rezensionsexemplar*

Die Frauen von Salaga von Ayesha Harruna Attah

Umfang: 320 Seiten | Genre: historischer Roman

Verlag: Diana Verlag | Preis: 20,00 € 



Westafrika, Ende des 19. Jahrhunderts. Aminah, ein verträumtes junges Mädchen, wird brutal aus ihrem Zuhause gerissen und als Sklavin verkauft. Wurche ist eine privilegierte Frau, doch ihr Vater zwingt sie, eine ungewollte Ehe einzugehen. Als Aminah und Wurche sich auf dem Sklavenmarkt von Salaga begegnen, verbinden sich ihre Schicksale unwiderruflich miteinander.

Beide hadern mit den Grenzen, die ihnen Zeit und Gesellschaft auferlegen. Beide riskieren ihr Leben. Und beide verlieben sich in denselben Mann.

Meine Meinung:

Zu diesem Roman hätte ich von mir selbst aus wohl eher weniger gegriffen, doch in Zuge von #WirlesenFrauen und da der Herzensmann es auch unbedingt lesen wollte, habe ich mich vom wundervoll gestalteten Cover und der Geschichte überzeugen lassen - zum Glück!

Ayesha H. Attah erzählt in dieser Geschichte das Schicksal ihrer Ururgroßmutter, welche wir als Aminah kennen lernen dürfen. Gleichzeitig erleben wir einen zweiten Blickwinkel durch Wurche, eine rebellische Königstochter, die einen enormen Gegenpol zu Aminah darstellt und welche durch "Schriftzeugnisse von Frauen aus afrikanischen Königsfamilien wie Königin Aminah und Yaa Asantewaa in Ghana" inspiriert wurde. ( Zitat aus dem Interview des Diana Verlags mit der Autorin )

Da in der Vorstellung der Autorin im Buch nur kurz beschrieben wurde, dass dieser Roman von ihrer Familiengeschichte handelt, dies aber nicht näher erklärt wurde, wollte ich mehr über diesen Fakt wissen. Dabei bin ich auf ein Interview gestoßen, das der Diana Verlag mit Ayesha H. Attah selbst geführt hat, und dieses kleine Zitat, was die näheren Umstände beleuchtet, wollte ich euch nicht vorenthalten.
"Als ich unseren Familienstammbaum erforscht habe, hat mein Vater erwähnt, dass unsere Vorfahrin, die Mutter seiner Großmutter, nur „die Sklavin“ genannt wurde. Das hat mich neugierig gemacht. Ich wollte mehr wissen, aber er konnte mir nur sagen, dass sie vermutlich aus Mali, Niger oder Burkina Faso kam und sehr helle Haut gehabt haben soll. Ich habe versucht, mehr über sie herauszufinden.  
Meine Familie war diesbezüglich äußerst schweigsam. Letztlich habe ich mich beim Erzählen von Aminahs Geschichte eher auf meine Nachforschungen und das, was in unserer Familie ungesagt geblieben ist, gestützt."

Wie bereits oben erwähnt, verfolgen wir zwei Sichtweisen: Aminah, die in einem kleinen Dorf aufwächst und Wurche, eine privilegierte Königstochter. Zwei ganz unterschiedliche junge Frauen und doch eint sie eine Sache. Sie wollen beide aus ihrer Unterdrückung ausbrechen und sich nicht den Gegebenheiten ihres Landes unterwerfen. Aminah möchte, wie ihr Vater, das Schusterhandwerk erlernen und mit Karawanen in die umliegenden Städte ziehen. Wurche interessiert sich für die Politik ihres Vaters, würde viel lieber schießen und reiten lernen wie ihre Brüder und vor allem politisch etwas verändern im Land.

Recht schnell werden beiden allerdings immer größere Steine in den Weg gelegt und sie begreifen bald, dass Freiheit und Selbstbestimmtheit für Frauen in Westafrika, Ende des 19. Jahrhunderts, noch in weiter Ferne liegt. Was mir hier besonders gut gefallen hat war, dass der Fokus auch auf diesem Thema liegen blieb. Auf dem Klappentext wird zwar eine Liebesgeschichte angeteasert, doch diese bleibt sehr weit im Hintergrund und wird nur gegen Ende des Buches ein wenig mehr ausgeweitet.

So verliert sich die Geschichte nicht in einer Romanze und untergräbt die Glaubwürdigkeit der Protagonistinnen nicht durch viel aufgeputschte Hormone - nein, die Autorin bleibt Aminah und Wurche treu, gibt ihnen eine Stimme und zeigt dem Leser, wie auch mir, wie unsäglich rau und brutal die Zeit damals war und wie sie auch noch in gewissen Regionen Afrikas heute ist.
Wenn sich der trockene, staubige Wind im Norden von Botu erhob, nahm er der Erde jede Feuchtigkeit, ließ Lippen aufplatzen, Schweiß aus allen Poren treten, um eine Kälte zu bringen, die durch Mark und Bein ging.  
Dieser trockene Wind hatte auch Wofa Sarpongs Land erfasst, traf dort aber auf die feuchte Masse des Waldes und schlug eine seltsame Schlacht, die niemand gewann.

Anfangs habe ich mich mit den vielen afrikanischen Namen und Bezeichnungen bzw. Bräuche Westafrikas sehr schwer getan. Was der Verlag ein wenig versäumt hat, ist ein Glossar anzuhängen, welches zumindest eine grobe Orientierung über gewisse Begrifflichkeiten geboten hätte. Ich hätte mich darüber wahnsinnig gefreut, ist man doch als Leser mit der Zeit gedanklich sehr intensiv mit Afrika und den Vorgängen dort verwoben und meine Neugierde kochte innerlich über, ich wollte allerdings das Buch auch nicht beiseite legen, um das alles selbst zu recherchieren. Schade!

Doch nach einigen Kapiteln war ich dank der einfachen und doch bildgewaltigen Sprache mitten im Geschehen und sprang mit angehaltenem Atem zwischen den Sichtweisen hin und her. Dadurch, dass beide Protagonistinnen aus so unterschiedlichen Verhältnissen kommen, war der Spannungsbogen stets sehr weit oben und es passiert in der kurzen Zeit, die wir sie begleiten dürfen, unfassbar viel, was das Lesetempo beständig steigerte.

Das zweite große Thema, welches wir in "Die Frauen von Salaga" begegnen, ist die Sklaverei bzw. der Sklavenhandel. Aminah hat eine etwas unbedarftere, kindlichere Sicht auf die Sklaverei, hat sie bisher in ihrem Leben noch nicht das Schicksal vieler anderer teilen müssen. Wurche kennt die List der Sklavenhändler, ihr Vater selbst unterhält einige Sklaven und für sie ist es alltäglich, von ihnen umgeben zu sein. Allein die Beschreibungen Wurches über die Sklaven, deren Behandlung hat mir ein Schaudern über den Rücken jagen lassen.
"Ich versuche, niemanden zurückzulassen. Die meisten Sklavenräuber nehmen keine Alten und keine Babys mit." Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. "Sie lassen sie zurück und setzen alles in Brand. Manche finden meine Methode schlimmer und sind der Meinung, dass ich die Menschen auf dem langen Marsch nach Salaga leiden lasse. Aber das finde ich immer noch besser, als ihnen das Leben zu nehmen.  
Ja, ich versuche wie ein anständiger Mann zu klingen, weiß jedoch ganz genau, dass ich keiner bin. Ich glaube, ich bin Teil von etwas, das größer ist als ich selbst."

Schreckliche Bilder, die die Autorin da auferstehen lässt und trotzdem mit einer gewissen Distanz beschreibt. Sie will nicht schockieren, sondern dem Leser meines Erachtens einen Einblick gewähren in den damaligen Alltag mit Sklaven. Ich mochte es, dass sie hierbei nicht mit den großen Emotionen gespielt hat, auch wenn manche Szenen mir schon sehr nahe gingen.

Die Sklaverei ist mit der Geschichte Afrikas verbunden und muss nicht noch mehr künstlich dramatisiert werden, denn was zu der Zeit alles passierte, ist schon entsetzlich genug und braucht keinen großen Auftritt; hier sind es die leisen Zwischentöne, die für mich ein stimmgewaltiges Gesamtbild ergeben haben.

Ebenfalls sehr spannend und interessant zu sehen war, wie die damaligen Kolonialmächte ( hier Deutschland sehr im Vordergrund, daneben England und Frankreich ) um einzelne Gebiete gekämpft haben. Jeder wollte ein großes Stück der Torte namens Afrika sich zu eigen machen, entweder durch kriegerische Gewalt oder die Zusammenarbeit mit den Stammesoberhäuptern. Ob dies immer zu Erfolg führte oder den jeweiligen Städten zum Vorteil wurde, wird ganz elegant nebenbei aufgezeigt und gewährte mir einen kurzen Einblick in die politischen Unruhen der damaligen Zeit.
"Warum gibt es hier so viele Brunnen?", fragte Aminah. "Sie wurden zum Waschen der Sklaven nach langen Transporten gebaut.", erwiderte Wurche. Eine Stadt, die nur dazu dient, mit Menschen zu handeln - eine solche Stadt kann unmöglich gedeihen!, dachte Aminah. Das war sicherlich auch der Grund, warum Salaga unter so vielen Kriegen gelitten hatte.
Mein Fazit:

Zwei starke junge Frauen, zwei ganz unterschiedliche Schicksale und doch kämpfen beide für eine Sache: Ihre Freiheit. Frei von gesellschaftlichen Zwängen, frei von Unterdrückung und Fremdbestimmung. Zwei außergewöhnliche Stimmen, denen ich bis zur letzten Seite gefolgt bin und es keine Sekunde bereue, nein sogar für wichtig empfand; denn was wir hier in einer fiktiven Geschichte erleben, ist für viele Frauen immer noch Alltag.

Aufrüttelnd und ohne Effekthascherei regt "Die Frauen von Salaga" zum Nach- und Weiterdenken an und beschreibt ein Land, das mir als privilegierter Europäer nicht ferner sein könnte, mit seinen Regeln, Bräuchen und Eigenheiten rund ums Ende des 19. Jahrhunderts und was mir nun so nah und greifbar vorkommt.

Große Leseempfehlung!

*~4 von 5 Sternen~*

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3 Kommentare:

  1. Huhu!
    Ich mochte das Buch auch sehr gerne! Genau wie du habe ich anfangs mit den Namen und Bräuchen gehadert und hätte mir wirklich ein kleines Glossar gewünscht. Ich konnte anfangs nicht mal richtig die Gruppenmitglieder identifizieren, das war richtig doof. Aber irgendwann hat man sich dran gewöhnt und dann punktet das Buch auf voller Linie. Tolle Vorstellung nochmal von dir! :)

    Liebste Grüße!
    Gabriela

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    Antworten
    1. Hallo Gabriela!

      Oh ich habe mir deine Rezension noch gar nicht angesehen ... aber witzig, dass ich mit dem Glossar nicht alleine bin :) Ja, gerade bei anderen Ländern und Bräuchen würde ich mir das so oft wünschen, um mich noch mehr hinein denken zu können. Aber auch so hat mir das Buch viel beigebracht und vermittelt-.

      Darf ich dich denn mit deiner Rezension verlinken?

      Liebste Grüße aus Arnsberg,
      Antonie

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  2. Liebe Antonie,
    von dem Buch habe ich schon hin und wieder gehört und es mir im Hinterkopf gemerkt und dennoch vergessen. Ich lese gerne solche Geschichten und deine Rezension sagt mir, dass das Buch auch was für mich ist! Nun werde ich es mir auf die Merkliste setzten.
    Spielt das Buch in bestimmten westafrikanischen Ländern? Kannst du es verorten, wo genau die Handlung überwiegend spielt?

    Ich freue mich sehr, dass du mit diesem Buch an meiner Linkparty mitgemacht hast! Das Buch hat noch viele weitere Leser*innen verdient. :-)
    GlG, monerl

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