Freitag, 10. Januar 2020

[Rezension] Unser Leben in den Wäldern - Marie Darrieussecq




*Werbung / Rezensionsexemplar*

Unser Leben in den Wäldern von Marie Darrieussecq

Umfang: 110 Seiten | Genre: Roman

Verlag: Secession | Preis: 18,00 € 




Unser Leben in den Wäldern führt uns in eine gar nicht so ferne Zukunft, wo wir es vermutlich ganz normal finden werden, dank implantierter Technik ständig »online« zu sein, smart vernetzt mit Wohnung, Verkehrsmitteln, Arbeit und den staatlichen Autoritäten. Was aber geschieht mit uns, wenn wir in einer Gesellschaft leben, in welcher der technische Fortschritt und Turbo-Kapitalismus auf die Spitze getrieben sind? In der Klone uns als lebende Ersatzteillager für Organe
dienen? In der Roboter den Großteil der Arbeit übernehmen? In der die Unterscheidungslinie zwischen KI-Affen und Menschen zu verschwinden droht?

 Ein fulminanter Text, verzweifelt, wütend, geprägt von schwarzem Humor – aus einer Zukunft, die sich erschreckend logisch aus unserer Gegenwart speist.

Meine Meinung:

Auf dieses Buch bin ich über Marlene von ichlesefrauen.de aufmerksam geworden und bin unglaublich froh darüber, denn was sich hier hinter den Buchdeckeln verbirgt, ist ein wahres Kleinod im Bereich Dystopie. Vorweg möchte ich gleich sagen, dass falls ihr euch komplett unwissend in die Geschichte werfen möchtet, dann verzichtet darauf den Klappentext zu lesen, denn dieser nimmt der Handlung doch einiges an Spannung raus und verrät sehr viel über den Verlauf.

Wir erleben alles aus Sicht von Viviane, welche in einem Rebellenversteck im Wald ausharrt und in einem Notizbuch ihre Gedanken festhält, in der Hoffnung, der Nachwelt einen kleinen Einblick in die Geschehnisse zu geben und ihnen damit einen Teil der Wahrheit zu offenbaren. So viel mehr kann ich über den Plot gar nicht schreiben, ohne euch zu viel zu verraten und DAS möchte ich auf gar keinen Fall!
Ich stelle mir vor, das der letzte Wald verschwunden sein wird, wenn der erste Menschenroboter fertiggestellt ist. Berührung der Ziellinie. Fünfzig Jahre. Das werde ich nicht erleben. Ich bin vorher kaputt. Ein Glück, dass ich keine Kinder habe.
Der Roman lebt davon, dass man als Leser Stück für Stück in Vivianes Gedanken eintaucht, ihr altes Leben mit ihr ergründet und die Welt in welcher sie lebt, ein bisschen besser kennen lernt. Eine Welt, in der Roboter, ständiges Online-Sein und totalitäre Überwachung zur Tagesordnung gehören, rebellische Mitbürger wie von Zauberhand verschwinden und Klone für jeden, die es sich leisten können bereit liegen, um neue Organe zur Verfügung zu stellen.

Am Anfang musste ich mich erst in die springenden, teils wirren und oft durcheinander gehenden Notizen von Viviane einfuchsen, mich an ihr Tempo und ihre Sprache gewöhnen, doch nach nur wenigen Seiten war ich so tief in der Handlung versunken, dass es mir immer leichter fiel ihr zu folgen. Sie erzählt von ihrem alten Beruf als Psychotherapeutin, ihrem Patienten Zero und wie er ihr Leben maßgeblich verändert hat oder mehr ihre Sicht auf die vielen Kleinigkeiten, die dort unbemerkt nisteten und nur darauf warteten, sich auf sie zu stürzen.
Wie macht man das, verschwinden? Wie macht man das? Offline gehen, das wollte ich ja gern tun, aber das bedeutete, man war absolut allein, ohne Geld, ohne Wohnung, denn auch seine Wohnungstür kann man nur öffnen, wenn man online ist. Das vergisst man schnell: in welchem Maße jede unserer Bewegungen im Netz steht, festgehalten und kategorisiert usw. 
Ganz allmählich entwirft Marie Darrieussecq eine sehr eigene Dystopie, nimmt uns an der Hand und zeigt uns, was in Zukunft eventuell Alltag für uns sein könnte und zeichnet dabei eine so düstere, beklemmende Atmosphäre, dass man sich wünscht, es würde nie so weit kommen. Denn was sich in vieler Hinsicht wunderbar anhört, lässt den Leser recht schnell die Nackenhaare sträuben, denn jede Medaille hat zwei Seiten und die dunklere, angelaufene davon ist meist die weniger schöne, welche man versucht zu ignorieren, bis es zu spät ist.

Die Handlung an sich war bis zu einem gewissen Punkt schon vorhersehbar und dann überrannte mich eine Wendung, die ich so gar nicht habe kommen sehen, mit einer Wucht, die mich wirklich schlucken ließ. Und dennoch passte sie sich so perfekt in die Geschichte ein, legte eine noch bedrohlichere Atmosphäre über Vivianes Erzählungen und beendete "Unser Leben in den Wäldern" mit einem wahren Paukenschlag.
Wir sind klein und wirbeln durch den Kosmos, und das Leben, das sie anderswo entdeckt haben, die Wesen, die uns wahrscheinlich irgendwie ähneln, na ja, man weiß es nicht, die sind zu weit weg, wir werden niemals mit ihnen reden. 
Mein Fazit:

Wer eine Wohlfühllektüre sucht, ist hier eindeutig falsch, denn Marie Darrieussecq hält mit düsteren Bildern und einer sprachgewaltigen Dunkelheit nicht hinterm Berg. Und doch ist dieses kurze Buch eine dringende Leseempfehlung für alle, die genug von Schmusi-Busi-Dystopien haben und sich komplett von einer Zukunftsversion vereinnahmen lassen wollen, die den Leser gegen Ende ausspuckt und fassungslos zurücklässt.

*~5 von 5 Sterne~*

Weitere Leseeindrücke findet ihr bei:

Marlene von ichlesefrauen.de lässt euch an ihren Gedanken zu dem Buch teilhaben *KLICK*

Einen herzlichen Dank auch an den Secession Verlag, der mir diese ungewöhnliche Dystopie zugeschickt hat, es war ein grandioses Lesevergnügen!

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