Donnerstag, 10. Januar 2019

[Rezension] Das tote Mädchen vom Strand - Lara Dearman



*Werbung / Rezensionsexemplar*

Das tote Mädchen vom Strand von Lara Dearman

Umfang: 464 Seiten | Genre: Kriminalroman

Verlag: Goldmann | Preis: 10,00 € 



Um London zu entfliehen, kehrt die Journalistin Jennifer in ihre Heimat zurück: das pittoreske Guernsey. Doch schon ihre erste Reportage führt sie ins dunkle Herz der Insel. Als Jennifer über ein ertrunkenes Mädchen berichtet, kommt sie einer Serie von Todesfällen auf die Spur.

Im Laufe von Jahrzehnten haben immer wieder auffällig attraktive junge blonde Frauen scheinbar durch Unfall oder Selbstmord ihr Leben im Meer verloren. Sie alle trugen dieselben Zeichen auf ihrer Haut. Offenbar gibt es auf der Kanalinsel einen Killer, der seit fünfzig Jahren mordet. Und der in der Welt der Mythen und Legenden von Guernsey zu Hause ist ...

Meine Meinung:

Nachdem ich mit "Crossroads"  zum ersten Mal die britische Kanalinsel Guernsey besuchen durfte und mich damals in die wundervollen Landschaftsbeschreibungen, in Land und Leute und ihre Eigenheiten verliebte, wurde ich sofort aufmerksam, als mir dieser Krimi zum ersten Mal in den Verlagsvorschauen entgegen sprang.

Denn auf keiner geringeren Insel als auf Guernsey spielt seine Handlung und so war mir klar: Das Buch musste bei mir einziehen.

Mit seinen knapp 500 Seiten ist es kein kurzer Lesegenuss, im Gegenteil, und doch rauschte ich mit einer brachialen Gewalt durch die Seiten, inhalierte die wirklich ausgefeilte und abwechslungsreiche Geschichte und war gegen Ende doch ein wenig enttäuscht, als ich die Insel und seine Bewohner wieder verlassen musste.
Daran, was das Meer einem Leichnam antun konnte. Die Leute glaubten, Leichen trieben an der Oberfläche, doch das taten sie nicht, nicht gleich. Sie sanken, bis sie auf dem Meeresboden ankamen und stiegen erst nach tagelanger Verwesung wieder empor, von Gasen aufgebläht.  
Wenn sie an die Oberfläche kamen, war die Haut grün und löste sich ab, hing lose an Händen und Füßen. Abscheren nannte man das. Und das galt nur für die Teile, die nicht weggefressen worden waren.  
Von denselben Fischen, die vielleicht irgendjemand in dieser Woche auf seinem Abendbrotteller wiederfinden würde. 
Vielschichtige Charaktere, eine Handlung die es in sich hat und ein Kriminalfall, welcher viele Fragen aufwirft und bis zum Schluss mit einigen Kniffen aufwartet - was will man mehr?

Auf der einen Seite gibt es die Journalistin Jennifer Dorey, welche vor kurzem von London nach Guernsey zurückkehrte, nachdem sie aufgrund ihrer Recherchearbeit bedroht wurde. Auf der anderen Seite Detective Chief Inspector Michael Gilbert, ortsansässiger Polizist mit einer nicht allzu leichten Vergangenheit, denn seine Tochter kam vor Jahren auf der Insel ums Leben und seine Frau verließ ihn daraufhin.

Und wieder einmal stellt sich mir die Frage: Braucht es in Kriminalromanen stets solche Protagonisten, welche eine düstere Vergangenheit, einen dramatischen Schicksalsschlag erlitten oder ein dunkles Geheimnis haben?

Ich kann mit allen Arten von Ermittlern leben, sei es der glücklich verheiratete Polizist ohne jegliche Probleme, sei es ein raufsüchtiger, ständig betrunkener und vom Leben übel mitgespielter Kommissar oder der gut aussehende Frauenheld, welcher eher unbeholfen durch die Ermittlungen stolpert und an einen tapsigen Welpen erinnert.

Wenn die Figuren klar und logisch ausgearbeitet wurden, sie mir von Anfang an sympathisch sind und nicht direkt in mir das Gefühl erwecken, klischeehaft und lieblos entworfen zu sein, dann können sie so ziemlich jede Charaktereigenschaft besitzen, die der Autor oder die Autorin ihnen zuschustert. Es muss mir auch z.B. nach dem fünften Band noch Spaß bereiten, den Charakter zu verfolgen und nicht ein tiefes Seufzen in mir auslösen, wenn er mir mit seinen ewigen Kamellen auf den Geist geht.
Eigentlich ironisch, dass sie hierhergekommen war, um ihrer Vergangenheit zu entfliehen. Das war nämlich so eine Sache in Guernsey: die eigene Vergangenheit folgte einem, lief einem über den Weg, winkte einem zu.  
Man konnte nicht vor ihr davonlaufen, sich nicht vor ihr verstecken. Stattdessen musste man sie freundlich anlächeln.
Lara Dearman ist das bei "Das tote Mädchen vom Strand" in meinen Augen ziemlich gut gelungen. So klischeehaft sich die beiden Hauptfiguren anhören mögen, ich habe sie schnell in mein Herz geschlossen und war zu keinem Zeitpunkt genervt oder abgeneigt von diesem klischeehafter klingenden Charakterbild.

Die Entwicklung beider innerhalb der Handlung war für mich spürbar, ihre Eigenheiten arbeiteten eher für sie als gegen sie und nachdem ich das Buch nach Beenden zuklappte, fragte ich mich bereits, ob es wohl ein Wiedersehen mit Michael und Jennifer für mich geben würde. Ja, wird es - dann aber auf der Insel Sark, einer Nachbarinsel von Guernsey - so viel sei schon verraten.

Eine dritte Sichtweise erhalten wir aus der Position des Täters heraus, welche mit seiner Kindheit bzw. Jugend beginnt und sich langsam zum jetzigen Geschehen vorarbeitet. Schemenhaft setzt sich nach und nach ein Bild des Mörders zusammen und seine Intension hinter den Taten wird ersichtlich, auch wenn es sie dadurch nicht entschuldigt.

Solche Blickwinkel reizen mich besonders, denn so kann ich während des Lesens miträtseln und meine eigenen Vermutungen hinsichtlich der Identität des Täters anstellen.

Hier kam ich allerdings erst gegen Ende des Buches auf die richtige Lösung und war erstaunt, wie lange die Autorin mich an der Nase herumführen konnte; sehr schön!
Die Leute dachten, Polizist zu sein, mache einen immun gegen Furcht und Panik, als könne man menschliche Emotionen irgendwie annullieren, indem man eine Uniform anzog und eine Dienstmarke in der Hand hielt.  
Ein paar von seinen Kollegen verhielten sich im Angesicht von Trauma und Tragödie sogar so, kalt und geschäftsmäßig. Das war natürlich Bullshit. Sie hatten alle Angst. Nicht vor Verletzungen oder dem Tod - zumindest nicht immer -, sondern vor dem Versagen.
Leser, welche einen rasanten Plot suchen, sind hier allerdings fehl am Platz, denn der Krimi entfaltet erst nach und nach seine Geheimnisse, hat auch ruhigere Passagen und Charaktere, denen Zeit gegeben wird sich vorzustellen und ihre ganz persönliche Geschichte zu erzählen. Was mich oft  an solchen Schauplätzen fasziniert und interessiert, sind die Einheimischen und ihre Marotten, ihr Zusammenleben auf solch begrenztem Raum und der Frage:

Was geht in den Köpfen der Menschen vor, wenn auf ihrer behüteten Insel ein Mord geschieht? Wem kann man noch vertrauen und ist man sich selbst nicht stets der Nächste?

Die Mythen, Legenden und die Vergangenheit der Insel wurden Teil der Handlung und brachten mir auch geschichtliches Wissen näher. Wusstet ihr z.B. dass die Nazis auf Guernsey überall unterirdische Bunker zur Abwehr gegen die britischen Soldaten bauten, welche heute noch existieren oder dass es extra angefertigte Gasmasken für Pferde gab?
Es war schwer, sich den türkisblauen Mühlweiher vorzustellen, der das Meer an einem ruhigen Sommertag sein konnte, wenn Boote sanft in der Bucht schaukelten und Kinder von einem Ende zum anderen schwammen. 
Selbst dann war es unter der friedlichen Oberfläche tief, tief unten eigentlich immer so. Mächtig. Unbarmherzig. Es konnte einen holen. Sich gegen einen wenden, wenn man es am wenigsten erwartete.
All diese kleinen Informationen machten die Geschichte umso lebendiger, interessanter und waren für mich ein weiterer Grund, an den Seiten zu kleben und mich darin zu verlieren.

Mein Fazit:

Grandioser Auftakt zu einer Reihe, die ich garantiert mit Genuss weiterverfolgen werde. Für alle Leser, die es nicht allzu blutrünstig und dennoch spannend haben wollen und sich gerne von ungewöhnlicheren Handlungsorten überzeugen lassen, ist das hier genau die richtige Geschichte. Eine große Empfehlung meinerseits.
*~4 von 5 Sterne~*

Der zweite Band "Schwarze Klippen" ist momentan für Juli 2019 angekündigt und soll dann auf der Nachbarinsel Sark spielen ... man darf gespannt sein!

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